Personalbedarfsbestimmung / Personalbemessung

(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 1.17)

Inhalt
  Definition
  Probleme
  Grenzen
  Quellen

1 Definition

Festlegung, wie viele Mitarbeitende welcher Qualifikation zu welcher Zeit an welchen Orten zur Verwirklichung des geplanten Leistungsprogramms erforderlich sind bzw. zur Verfügung stehen sollen (dafür bewilligt werden). Wird der auf Dauer erforderliche Personalbedarf festgelegt, spricht man auch von Festlegung des Stellenbedarfs (»Stelle).

2 Weitere Informationen

2.1 Leistungsfähigkeit / Probleme (ausführlich dazu der besondere Beitrag)

Die Ermittlung des Personalbedarfs wird in der öffentlichen Verwaltung überwiegend als operatives Problem gesehen, die strategische Perspektive wird selten berücksichtigt (siehe dazu unten). Gleichzeitig werden die Möglichkeiten der "analytischen Personalbemessung" oft überschätzt, während das Potenzial von Benchmarking eher selten genutzt wird, obwohl es eine Gesamtlösung unter Berücksichtigung von Organisation, Personalentwicklung und Führung zulässt. Bei Nicht-Routineaufgaben kann die Arbeitsproduktivität bis zum 20-fachen variieren (siehe unten). Deshalb sind "objektive" Daten über den "Bedarf" nicht möglich, weil die Einflussgrößen auf den Bedarf nicht objektiv oder nicht bekannt sind oder zuvor definiert werden müssten: welche Leistungsmenge in welcher Qualität mit welchen weiteren Leistungs- oder Wirkungszielwerten bewältigt werden soll.

So hat die Praxis, die Ergebnisse einer analytischen Bemessung nur zum Teil zugrunde zu legen, auch eine gewisse Berechtigung - ganz abgesehen von messtechnischen Problemen[1]. Und wenn die Personalstärke als "Plafond" vorgegeben wird, so hat dieses pragmatische Verfahren Elemente des Target Costing (Zielkostenvorgabe), allerdings ohne eine wünschenswerte fachliche Fundierung als Verfahren.

Üblich ist ferner die getrennte Behandlung der quantitativen (Zahl der Mitarbeitenden) und der qualitativen Seite (Wertigkeit der Stellen/Dienstposten).

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2.2 Verfahren

Es geht zunächst um die Zahl der Ausführungskräfte. Der Bedarf an Führungspersonal und für die Leitungsunterstützung wird gesondert ermittelt. Für Leitungskräfte ergibt er sich vor allem aus der Entscheidung über die Leitungsspanne - die wiederum keine "rationale" im Sinne einer objektivierbaren Entscheidung ist.

2.3 Personalbedarfsermittlung als operative Aufgabe

Für die Ermittlung des quantitativen Personalbedarfs als operative Aufgabe (aktueller Bedarf für die nächste Zeit) gelten die folgenden Verfahren (Einzelheiten siehe in der nachfolgenden Tabelle):

Beschreibung des Verfahrens

Zusatzinformationen

Analytisch:
Wird in der ö.V. üblicherweise ermittelt nach der Formel 

Fallzahl*Fallzeit*Verteilzeitfaktor
Arbeitszeit einer Normalarbeitskraft.

 (»Normalarbeitsleistung, »Verteilzeiten).

Allerdings ist in der Verwaltungspraxis oft nicht vorgegeben, welche Qualität die Verwaltungsleistung haben soll, so dass ein "objektiver" Personalbedarf nicht ermittelt werden kann und dann zumeist die Ist-Qualität als Basis genommen wird. In jedem Fall ist der Zusammenhang mit der Qualität der Leistung und mit Personalmanagement zu beachten!

Zur Rechnung: Der Zähler ist um einen Zuschlagfaktor für die sachliche Verteilzeit (weitere, nicht fallbezogene Arbeiten) zu vergrößern (oft: 5%), die Anwesenheitszeit ist um die persönliche Verteilzeit zu verringern (Erfahrungswert: 10%). Beide Faktoren können zu einem gemeinsamen Verteilzeitzuschlag zusammengefasst werden. 

Durch Schätzung: Wenn die Ausgangsdaten für die angegebene Rechnung nicht empirisch, sondern durch Schätzung ermittelt werden, oder die Schätzung auf Vergleichen mit anderen Leistungseinheiten beruht.  
Politisch:  Festlegung durch politischen Vorgaben, z. B. Schüler-Lehrer-Relation, Zahl zu betreuender Personen.  ... oder Plafonds nach der Devise "das muss reichen, macht das Beste daraus". Damit bestimmt die Politik gewollt oder ungewollt auch die Qualität der Aufgabenwahrnehmung.

Dabei ist aber zu beachten, dass auch Ausfälle durch Krankheit, Schwerbehinderung usw. berücksichtigt werden müssen, um die politisch vorgegebene Relation tatsächlich zu erreichen.

Neu über  Benchmarking, dabei entfallen u. U. detaillierte und scheingenaue Rechenverfahren. "Scheingenau" deshalb, weil Intensität und Qualität der Aufgabenwahrnehmung oft nicht definiert sind und deshalb die entscheidende Rechengröße "Fallzeit" in Wirklichkeit nicht "objektiv" oder auch nur reflektiert und/oder politisch verantwortet ist. Adäquat zur Bestimmung wäre oft "Target Costing", das in der öff. Verw. aber kaum bekannt und angewendet wird.

Voraussetzungen des Benchmarking sind zu beachten, also Vergleichbarkeit im Hinblick auf Ausgangslage, Qualität usw. 

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2.4 Grenzen der Bestimmung des Personalbedarfs

Die analytische Personalbemessung als Fortschrittsbremse (ausführlich dazu der besondere Beitrag)

Untersuchungen über die Arbeitsproduktivität von Programmierern ergaben Unterschiede um den Faktor 20 (in Worten: zwanzig), d. h. 20 sehr schlechte Programmierer schrieben so viele Programmzeilen wie ein einziger sehr guter Programmierer. Eine Firma, die sich von 3 sehr schlechten Programmierern trennt und einen mittelmäßigen dafür gewinnt, spart nicht nur drastisch, sondern steigert auch noch die Leistung. Wie ist - bei dieser Sachlage - der Bedarf an Programmieren "objektiv" zu bestimmen?

Würde man die Arbeitsproduktivität von Kassierern im Supermarkt messen, käme man ebenfalls auf erhebliche Unterschiede, könnte sich aber natürlich an einem Durchschnittswert orientieren. Nur: was sagt dieser Ist-Durchschnittswert über den Bedarf? Ein Discounter hat im Jahr 2002 das - ohnehin schon schnelle - Personal an den Kassen so trainiert, dass sie die Ware durch die Scannerkassen so automatisch durchschieben wie eine trainierte Schreibkraft Text schreibt - ohne hinzuschauen - auf einmal war der Zeitbedarf pro Vorgang drastisch geringer. Sprich: der "Bedarf" an Personal ist abhängig von der Organisation (hier: einwandfrei funktionierenden Scannerkassen und fehlerfreier Auszeichnung der Ware), dem Training, der Disziplin des Verkaufspersonals in der Anwendung des Verfahrens, der Führung.

Die Zweifel an der Ermittlung eines "objektiven" Personalbedarfs gelten erst Recht für alle Nicht-Routineaufgaben, z. B. in Ministerien, bei denen oft nicht einmal das Leistungsprogramm mit seinen Anforderungen eindeutig definiert ist - selbst wenn es das sein sollte, dürften die Erfahrungen mit der Produktivität von Programmieren zumindest für einen wesentlichen Teil der Aufgaben entsprechend anwendbar sein. Seitenanfang

Deshalb hat die KGSt - zu Recht - die früheren Arbeiten an Personalbedarfskennzahlen nicht mehr weitergeführt.

In vielen Fällen ist der Personalbedarf auch abhängig von der gewünschten Qualität der Leistung. Das praktizierte Verfahren, hierfür quasi "willkürlich", Zahlen zu bestimmen (z. B. Schüler-Lehrer- oder Betreuungsrelationen), entspricht im Ansatz dem Target Costing. Hier gibt es wohl noch einigen Forschungs- und Entwicklungsbedarf.

"Personalbedarf" ist keine objektive, vom Leistungsprogramm, der Qualität der Leistung, von Organisation (Aufbau- und Ablauforganisation!), Qualifikation, Personalentwicklung und -führung unabhängige Größe.

Bisherige Verfahren liefern eher scheingenaue Ergebnisse und täuschen eine nicht berechtigte Objektivität und Verlässlichkeit vor. Statt dessen ist Management als umfassende Gestaltungs- und Steuerungsaufgabe gefordert.

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2.5 Personalbedarfsermittlung als strategische Aufgabe

Die strategische Personalbedarfsermittlung setzt zunächst eine strategische Aufgabenplanung und insgesamt strategisches Management voraus, das in der öffentlichen Verwaltung oft nicht und nur unzureichend vorhanden ist.

Zunehmend wird erkannt, dass die demografische Entwicklung eine strategische Personalplanung erfordert, z. T. wird auch - im internationalen Vergleich viel zu spät - die Problematik der Diversität als strategisches Problem erkannt.

Wegen der Vielzahl von Einflussgrößen und der Unsicherheit über die Entwicklung in der Zukunft kann für die Personalbedarfsbestimmung z. B. die Szenariotechnik verwendet werden. Trendextrapolationen - bisher wohl am meisten verbreitet - sind weniger geeignet, weil sie die Dynamik der Entwicklung nicht abbilden können (abzubilden versuchen), also keine proaktive strategische Ausrichtung ergeben.

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3 Quellen

Bundesrechnungshof, Der Präsident des ... als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung: Typische Mängel bei der Ermittlung des Personalbedarfs in der Bundesverwaltung. Gutachten. Stuttgart 1992

Bundesminister des Innern: Handbuch für Organisationsuntersuchungen und Personalbedarfsermittlung. Online-Quelle: http://www.orghandbuch.de

Zur Problematik der Personalbedarfsberechnung und ihren Grenzen siehe auch den besonderen Beitrag

Bewertung von Stellen/Dienstposten

Die genannten Quellen behandeln den quantitativen Bedarf. Literatur zur Bewertung von Stellen/Dienstposten existiert vor allem zur tarifrechtlichen Bewertung von Arbeitsplätzen (Eingruppierung).

Zur Bewertung von Stellen für Beamtinnen/Beamten siehe die folgenden Quellen:

KGSt – Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (2009): Stellenplan - Stellenbewertung. 7. Auflage. Köln (KGSt-Gutachten Nr. 1/2009).

Siepmann, Heinrich (2010): Stellenbewertung für Kommunalbeamte. 4. Aufl., Köln.

 

 


Anmerkungen

Zurück zum Text Klassisch die Untersuchungen im Bildungsbereich, z. B. die groß angelegte und aufwändige Ermittlung der Arbeitszeit der Lehrer in NRW Ende der 90er Jahre - die ebenso ohne Konsequenzen blieb wie frühere Untersuchungen der Lehrerarbeitszeit. Eine Untersuchung der tatsächlichen Arbeitsbelastung von Hochschullehrern an einer internen Verwaltungsfachhochschule ergab, dass die Hochschullehrer auch dann noch ausgelastet und z. T. überlastet waren, als sie keine einzige Stunde lehrten. Der "wertende" Charakter der KMK-Vereinbarung über die Lehrdeputate an Hochschulen hat von daher seine Berechtigung, und Praxis und Rechtsprechung haben ein durchaus richtiges Gespür für die Unvollkommenheit der Versuche, diese Fragen zu "objektivieren".
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