Verantwortung, Verantwortungsarten
(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 1.2)
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Führungsverantwortung im Rahmen einer Neuen Verwaltungssteuerung | |
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1 Definitionen
1.1 Verantwortung
Pflicht zum Einstehenmüssen für die Folgen des Handelns (auch der - pflichtwidrigen - Untätigkeit). Die Verantwortung ist untrennbar verbunden mit der Befugnis, sein Handeln selbst zu bestimmen, z. B. mit dem »Zeichnungsrecht (»Kongruenzprinzip), jedoch gibt es auch Verantwortung für fremdes Handeln als Führungsverantwortung (bei Delegation), im Außenverhältnis als Gewährleistungsverantwortung (des Staates/der Kommune), auch als Verantwortung dafür, auf Probleme und Handlungsbedarf hingewiesen und/oder Handeln vorgeschlagen zu haben: Initiativverantwortung. »Verantwortungsarten. Im Verhältnis von Aufsichtsbehörde zu nachgeordneten Behörden/Einrichtungen korrespondieren den Verantwortungsarten die Aufsichtsarten. Auch: Rechenschaftspflicht, Haftung. Englisch: Responsibility.
Beachte den oft abweichenden allgemeinen Sprachgebrauch: Als "Verantwortung" wird allgemein oft (nur) Zuständigkeit und/oder Handlungsbefugnis verstanden, ohne die Pflicht, für die Folgen einzustehen, etwa bei der Diskussion, wer "verantwortlich" sei: Bund, Länder, Kommunen, usw. Die Folgen treffen die Bürger, die kaum je "Verantwortung" in dem hier definierten Sinne einfordern (können).
1.2 Verantwortungsarten
Klassifizierung, wofür einzustehen, also Verantwortung zu tragen ist: für (welche Art von) Verhalten, für (welche Art von) Ergebnissen, für (welche Art von) Verfahrensweisen, usw. "Verantwortlich" sein kann eine Person oder eine Organisationseinheit (Binnenverhältnis einer Institution (Behörde, Firma)) oder die Institution (Behörde, Firma) selbst gegenüber Außenstehenden bzw. der Allgemeinheit.
2 Weitere Informationen
2.1 Verantwortungsarten von Führungskräften und Mitarbeitenden (Binnenverhältnis)
Art der Pflichten, auf die sich die Verantwortung bezieht: Handlungs-, Führungs-, Initiativ-, Ergebnisverantwortung.
Die Unterscheidung hat sich insbesondere im Zusammenhang mit der Delegation des Zeichnungsrechts entwickelt, dabei wird zwischen der
- Handlungsverantwortung des Delegationsempfängers (z. B. des Sachbearbeiters/ der Sachbearbeiterin) für die von ihm/ihr getroffenen Entscheidungen unterschieden und der
- Führungsverantwortung dafür, die richtige Person
für die Delegation ausgewählt, sie richtig angeleitet, informiert
und kontrolliert zu haben - so die klassische Festlegung im Rahmen des Harzburger Modells.
Erweiterte Verantwortung: Je nach Befugnissen umfasst die Führungsverantwortung darüber hinaus die Verantwortung für die richtige Organisation, z. B. für geeignete Strukturen, geordnete Prozesse, Prozessdokumentation, Qualitätssicherung/-management, um möglichst fehlerfreie Ergebnisse zu erreichen, entstehende Fehler zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren (Fehler und/oder Fehlerfolgen zu beseitigen, Fehlerursachen zu ermitteln und abzustellen).
Die Instrumente zur Wahrnehmung dieser Führungsverantwortung umfassen im Rahmen einer modernen Verwaltungssteuerung auch neue Instrumente, z. B. den Abschluss und die Durchführung von Zielvereinbarungen und die Gestaltung des Controllingsystems.
- Initiativverantwortung: Oft nicht ausdrücklich benannt
wird die Verantwortlichkeit, ohne eigene Handlungs- oder Entscheidungsbefugnisse
Maßnahmen bei der zuständigen Instanz oder sonstigen Stelle (z. B. der Personalstelle) vorzuschlagen, zumindest auf Probleme und Handlungsbedarf hinzuweisen: Initiativverantwortung,
wie sie bereits beamtenrechtlich als Beratungspflicht gegenüber Vorgesetzten
gilt, aber auch wesentliches Element jeder Organisation ist. So hat z. B.
der Sachbearbeiter/ die Sachbearbeiterin eine solche Initiativverantwortung gegenüber ihrer Führungskraft,
sie ist auch wesentliches Element der Aufgaben von Stabsstellen oder der Projektleitung im Rahmen von Projektmanagement.
- Zusätzlich sollte die Ergebnisverantwortung als eigenständige Verantwortungsart unterschieden werden, die insbesondere bei neuartigen Problemen und unstrukturierten Entscheidungssituationen praktiziert, aber formell oft nicht definiert wird. Damit können auch informelle "Zuständigkeiten" wie im Rahmen des Promotorenmodells erfasst und als Gestaltungsmittel genutzt werden. "Ergebnisverantwortung" ist auch Teil politischer Verantwortung, weil die Politik auf die Mitwirkung gesellschaftlicher Akteure angewiesen ist. Und auch innerorganisatorische Prozesse weisen die Merkmale politischer Prozesse auf, hier z. T. als "Mikropolitik" bezeichnet.
Handlungs- und Initiativverantwortung sollten unterschieden werden: Handlungsverantwortung ist Verantwortung für Handeln nach außen, Initiativverantwortung dagegen für Handeln im Innenverhältnis.
Beachte: Diese Verantwortungsarten unterstellen klare Kompetenzregeln, die in der Praxis aber nicht immer vorhanden sind, was ein organisatorischer Mangel sein kann (mit der Folge von Organisationsverschulden), unter Umständen aber auch nicht sinnvoll oder möglich sind: wer ein Vorhaben durchsetzen will, braucht u. U. Koordinationsgeschick: die Fähigkeit, Unterstützung zu erreichen, unabhängig von formalen Rollen und Kompetenzen. Die Rolle eines Fach- oder Machtpromotors (»Promotorenmodell) im Change Management ist in der Regel eine informelle Rolle, also nicht offiziell geregelt und auch nicht regelbar.
Die nicht oder nicht ausreichende Wahrnehmung der Verantwortung führt bei Verschulden zu entsprechenden Konsequenzen, siehe dort.
2.2 Verantwortungsarten im Außenverhältnis
(politische / staats- und verwaltungsrechtliche Verantwortung)
Staat und Verwaltung haben den Auftrag, für das Gemeinwohl tätig zu werden. Soweit sie selbst das dafür Erforderliche tun, tragen sie die Leistungsverantwortung (Erfüllungsverantwortung):
- Leistungspflichten (Pflicht zur Bereitstellung und Erbringung der Leistungen);
- Risikoübernahme für den Fall der Pflichtverletzung bzw. des Verschuldens, mit Besonderheiten, soweit öffentlich-rechtlich geregelt (ggf. Folgenbeseitigungsanspruch, u. U. aber auch nur Anspruch auf Schadensersatz);
- Rechtsfolgenverantwortung.
Diese Verantwortungsart wird in der Literatur auch als Erfüllungsverantwortung bezeichnet. Da Staat oder Kommune aber selten Garantien für die Leistungserbringung geben, und die Erfüllung in der Regel, auch verfassungsrechtlich, nicht eingefordert werden kann, ist die Bezeichnung "Leistungsverantwortung" als Verantwortung für die (bloße, grundsätzliche) Erbringung der Leistung treffender.
Staat und Verwaltung können Aufgaben, Befugnisse und Verantwortung übertragen bzw. es auch anderen, einschließlich privaten (eigen- oder gemeinnützigen) Akteuren überlassen, tätig zu werden. Politische Verantwortung bleibt dann zumindest als "Gewährleistungsverantwortung": der jeweilige öffentliche Akteur ist politisch, möglicherweise auch rechtlich, verpflichtet dafür zu sorgen, dass bestimmte öffentliche Anliegen ausreichend wahrgenommen werden, z. B. öffentliche Sicherheit, Bildung, Wohnraumversorgung, Infrastruktur (Verkehrswege usw.).
Ein Beispiel für die Gewährleistungsverantwortung ist das Verhältnis der Beteiligten, die an der Umsetzung der Regeln des Arbeitslosengeldes II ("Hartz IV") mitwirken: die Bundesagentur für Arbeit hat eine "Gewährleistungsverantwortung" dafür, dass die Arbeitsgemeinschaften rechtmäßig handeln und die mit dem Bundesministerium vereinbarten Ziele erreichen.
Diesen Verantwortungsarten korrespondieren auch die "Aufsichtsarten" im Verhältnis zwischen den Behörden innerhalb der Verwaltungshierarchie.
2.3 Betreiberverantwortung
Zur Betreiberverantwortung im Gebäudemanagement (Facilitymanagement) siehe GEFMA 190 (2004): Betreiberverantwortung im Facility Management.
3 Quellen
"Verantwortung" wird einerseits in den rechtswissenschaftlichen, andererseits in der politik- und verwaltungswissenschaftlichen Literatur behandelt.
Quellen zur eher rechtswissenschaftlichen Erörterung:
Franzius, Claudio (2009): Gewährleistung im Recht: Grundlagen eines europäischen Regelungsmodells öffentlicher Dienstleistungen. Tübingen.
Klement, Jan Henrik (2006): Verantwortung. Funktion und Legitimation eines Begriffs im Öffentlichen Recht. Tübingen.
Stein, Katrin (2009): Die Verantwortlichkeit politischer Akteure. Tübingen.
Zur politik- und verwaltungswissenschaftlichen Diskussion siehe als Überblick:
Holoubek, Michael: Daseinsvorsorge – Weniger Staat, mehr Markt? Alte und neue Rechtsprinzipien und Rechtsinstrumente der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen. Online-Quelle
sowie
Reichard, Christoph (2004): Das Konzept des Gewährleistungsstaates. Referat auf der Jahrestagung 2003 des Wissenschaftlichen Beirats der GÖW. In: Elisabeth Göbel u. a. (Hrsg.): Neue Institutionenökonomik, Public Private Partnership, Gewährleistungsstaat. Berlin, S. 48-60. Online-Quelle.
Libbe, Jens / Trapp, Jan Hendrik / Tomerius, Stephan (2004): Gemeinwohlsicherung als Herausforderung – umweltpolitisches Handeln in der Gewährleistungskommune. Theoretische Verortung der Druckpunkte und Veränderungen in Kommunen. Berlin (Deutsches Institut für Urbanistik). Online-Quelle.
2016-11-25