Nutzwertanalyse (NWA)

(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 2.01)

1 Definition

Bewertungstechnik, bei der alle nicht-monetären Vor- und Nachteile von Alternativen einheitlich als Nutzengrößen dargestellt werden. Damit können die Alternativen auch bei Zielkonflikten vergleichbar gemacht werden (vgl. das Vorgehen der Stiftung Warentest). Sie ermöglicht Entscheidungen nach dem Maximalprinzip (die Alternative mit dem höchsten Nutzwert wird gewählt), wenn keine Kostenunterschiede bestehen. Ist die "bessere" Alternative aber auch "teurer", erfolgt die Auswahl nach dem Optimalprinzip, d. h. die NWA liefert einen Beitrag für die Entscheidung nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot (s. im einzelnen unten).

Im Hinblick auf Bewertungsprobleme ist u. U. ergänzend eine Sensibilitätsanalyse (Empfindlichkeitsanalyse) erforderlich. Siehe Wirtschaftlichkeit, Arbeitsanleitung des BMF

2 Weitere Informationen

2.1 Kurzbeschreibung des Verfahrens (7 Stufen)[1]

Das Verfahren lässt sich in die folgenden 7 Stufen gliedern:

1. Alternativen auswählen

Voraussetzung ist, dass mehrere Alternativen zur Auswahl stehen (vgl. Phase "Lösungsalternativen entwickeln" des Problemlösungsprozesses), zumindest wäre ein Vergleich zwischen dem bisherigen Zustand und der geplanten Änderung vorzunehmen.

2. Kriterien auswählen

Anforderungen an Kriterien

Eine Nutzwertanalyse ist nur so gut wie die Kriterien, die sie verwendet. Sie sollten die Problematik zutreffend abbilden und ohne wesentliche Fehler verwendbar sein. Zu den Anforderungen gehört auch, dass sie keinen zu hohen Aufwand verursachen, der seinerseits unwirtschaftlich wäre.

Die Problematik der Erfassung von zielrelevanten Eigenschaften ist insbesondere für Kennzahlen untersucht worden, es gibt inzwischen empfehlenswerte Anleitungen, die berücksichtigt werden sollten, siehe im Beitrag Kennzahlen, insbesondere auch die Regeln und Empfehlungen, die die UK-Zentralregierung veröffentlicht hat.

Mindestens sollten die folgenden vier Anforderungen beachtet werden[4]:

  1. Operationalität: Kriterien müssen so genau wie möglich beschrieben werden, damit die Bewertung möglichst unabhängig von der Person, die sie vornimmt, vorgenommen werden kann,
  2. Ordnung der Kriterien: Kriterien, die einer gemeinsamen Kategorie angehören, müssen entsprechenden Oberkriterien untergeordnet werden,
  3. Unterschiedlichkeit: verschiedene Kriterien müssen auch unterschiedliche Bewertungsaspekte beschreiben - und dürfen nicht lediglich sprachlich anders den gleichen Aspekt erneut erfassen,
  4. Unabhängigkeit: die Erfüllung eines Kriteriums darf nicht die Erfüllung eines anderen voraussetzen oder zwangsläufig zur Erfüllung eines anderen Kriteriums beitragen (das wäre auch ein Verstoß gegen Anforderung Nr. 3.

Eine Orientierung für die Definition von Kennzahlen liefert auch die "SMART"-Regel für (operationale) Ziele.

3. Vorauswahl nach "KO-Kriterien"

Jede Alternative, die eine dieser zwingenden Bedingungen nicht erfüllt, scheidet aus.

4. Gewichtung der Kriterien

Bedeutung der Kriterien im Verhältnis zueinander festlegen; anders formuliert: festlegen, zu wieviel Prozent die Entscheidung von dem jeweiligen Kriterium abhängen soll. Um Subjektivität zu vermeiden, sollte die Gewichtung auf eine breite Basis gestellt werden (mehrere Personen mit ggf. unterschiedlichen Funktionen, Bezug zu anerkannten Standards, Beispiele aus anderen Bereichen usw.). Nach

5. Grad der Zielerreichung (Erfüllungsgrade)[2] ermitteln

Für jedes Kriterium wird getrennt ermittelt, in welchem Ausmaß jede Alternative das Kriterium erfüllt. Wichtig sind die in Zahlen ausgedrückten Erfüllungsgrade der Alternativen im Vergleich zueinander, weniger wichtig sind die absoluten Zahlen der Erfüllungsgrade.

6. Rechnung durchführen

Einzelnutzwerte (Nx = Gx * Ex) und Gesamtnutzen (N = Summe der Einzelnutzen der Alternative) ermitteln.

7. Ergebnis interpretieren, ggf. Empfindlichkeitsanalyse durchführen

Bewertungsunsicherheiten, Fehlergrenze beachten, evtl. "Empfindlichkeitsanalyse" ("Sensibilitätsanalyse") durchführen: wie "sensibel" ist das Ergebnis gegenüber Veränderung der Kriterien, Kriteriengewichtung oder des Maßstabs für die Ermittlung des Erfüllungsgrades?

8. Fortsetzung ggf. mit Ermittlung der wirtschaftlichsten Alternative nach dem Nutzen-Kosten-Verhältnis (Optimalprinzip)

Falls auch Kostenunterschiede bestehen, ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, bei der Kosten- und Nutzenunterschiede der Alternativen gegenüber gestellt werden. Geringfügige Kostennachteile bei deutlich höherem Nutzen rechtfertigen es, sich für diese Alternative dem höheren Nutzwert zu entscheiden, vgl. die Beispiele in der Arbeitsanleitung des BMF[3].

2.2 Vermeidung von Subjektivität

2.2.1 Die NWA liefert konsistente, aber keine objektiven Bewertungen

Der oft erhobene Vorwurf der Subjektivität ist objektiv unberechtigt. Die NWA kann nur systematisieren, sie kann keine "objektiven" Ergebnisse liefern, weil die Elemente der Bewertung nicht objektiv sind, weder die Auswahl der Alternativen oder der Bewertungskriterien, noch ihre Gewichtung und die Beurteilung des Erfüllungsgrades. Wie oft im Handeln der Verwaltung geht es hier um die Konkretisierung der öffentlichen Aufgabe / des öffentlichen Auftrag im Rahmen eines Beurteilungs- und Ermessensspielraums. Die Beurteilungen müssen logisch, in sich konsistent und vertretbar sein, z. B. mit unserer vorgegeben oder akzeptierten Wertordnung vereinbar. Da die Präferenzen durchaus komplex sind, kann auch ein Verfahren wie das der Stiftung Warentest angemessen sein, um die Präferenzordnung richtig abzubilden: "Sicherheit" wird nur mit 10% gewichtet, weil sonst die praktisch wichtigen Gebrauchseigenschaften nicht mehr ausreichend wirksam werden; ist das Produkt aber gefährlich, schlägt das auf die Bewertung durch: Sicherheit hat also ein variables Kriteriengewicht je nach Erfüllungsgrad.

2.2.2 Transparenz herstellen

Unverzichtbar ist Transparenz: alle Bewertungsschritte müssen nachvollziehbar sein, so dass jeder, der die Bewertung erhält, sie auf Plausibilität überprüfen, Änderungen in einzelnen Schritten vornehmen und testen kann, ob das Ergebnis sich ändern (und auch Veränderungen vornehmen und die Bewertung damit testen oder korrigieren kann (so auch vorbildlich praktiziert von der Stiftung Warentest).

2.2.3 Bewertungen auf breite Basis stellen, Stakeholder einbeziehen

Die Bewertung wird ausgewogener und differenzierter und besser akzeptiert, wenn sie von mehreren vorgenommen wird. Wenn andere davon betroffen sind, sollten auch die Stakeholder in die Bewertung einbezogen werden (z. B. Gruppen von Beschäftigen, die IT-Nutzer usw).

Die Beteiligung sollte - anders als in einigen Empfehlungen genannt[5] - nicht nur bei einem einzelnen Schritt, z. B. der Bestimmung des Erfüllungsgrades, erfolgen, sondern für alle wertenden Schritte, also die Auswahl der Alternativen, soweit nicht vorgegeben, die Definition der k.o.- und der Soll-Kriterien (bilden sie wirklich ab, was für die Bewertung wichtig ist?), die Gewichtung der Kriterien und die Vergabe der Erfüllungsgrade.

2.3 Kennzeichen/Anwendungsbereich

2.4 Verhältnis zu "Wirtschaftlichkeit" und "Kosten"

 


Anmerkungen

Zurück zum Text Vgl. dazu die Arbeitsanleitung des BMF zu den VV zu § 7 BHO vom 31.08.1995, II A 3 - H 1005 - 23/95
Zurück zum Text Der BMF bewertet die Erfüllungsgrade in seiner "Arbeitsanleitung" mit "Punkten", vgl. a. a. O., S. 8.
Zurück zum Text A. a. O., S. 8 f. und das Beispiel S. 18. Durch diese Zusammenfassung der Bewertungen werden "letztlich Punkte in DM bewertet", BMF ebd., S. 8.
Zurück zum Text in Anlehnung, aber mit wesentlichen Veränderungen, an den "Leitfaden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei PPP-Projekten“ der Länderoffenen Arbeitsgruppe zum Thema „Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei PPP-Projekten“, 2006, S. 46. Online-Quelle
Zurück zum Text Der "Leitfaden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei PPP-Projekten“ der Länderoffenen Arbeitsgruppe zum Thema „Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei PPP-Projekten“, 2006, S. 46 (Online-Quelle), sieht eine Beteiligung nur bei der Gewichtung der Kriterien vor, die BMF-Arbeitsanleitung, Nr. 2.3, nur bei der Beurteilung der Alternativen (der Vergabe der Erfüllungsgrade).